Dichter der Alevitischens Glaubenslehre (Ulu Ozanlar)“ sind u.A.:

Die sogenannten 7 Großen Dichter: Seyyid Nesîmî, Fuzulî, Şah Hatayî, Pir Sultan Abdal, Kul Himmet, Viranî und Yemînî spielen in der alevitisch-bektaschitischen Poesietradition eine fundamentale Rolle bezüglich der religiösen Auffassung im Alevitentum. Es ist nicht bekannt, wann und wer diese sieben als die wichtigsten Dichter des Alevitentums auswählte, aber sie haben sich in der Liturgie fest verankert. Die sieben großen Dichter gelten somit als Vermittler, die mit ihren Gedichten seit Generationen Alevitinnen und Aleviten den Weg zur menschlichen Vervollkommnung aufzeigten. Die Zahl 7 ist zudem ein Synonym für die Vielheit und Unermesslichkeit: Damit versinnbildlichen die 7 großen Dichter ein Teil des Ganzen; sie stehen stellvertretend für alle alevitisch-bektaschitischen Dichterinnen und Dichter, die mit ihren Werken das Wissen über das Alevitentum über Jahrhunderte hinweg bis zum heutigen Tag an uns weitergetragen haben. Im Folgenden sollen sie kurz vorgestellt werden.

Seyyid Nesîmî wird in den Quellen als Seyyid Imadüddin Nesimi erwähnt. In den Quellen steht geschrieben, dass sein richtiger Name Ali ist. Seyyid Nesîmî (14. Jahrhundert) war ein Mystiker aus dem heutigen Aserbaidschan, der dem Orden der Hurûfiyye angehörte. Der Terminus „Hurûf“ ist arabisch und ist der Plural von „Harf“ und trägt somit die Bedeutung „Buchstaben“ bzw. die Gnosis der Buchstabenbildung. Die Hurûfiyye, gegründet von Fazlullah Astarabadi (1339 – 1394), war von klaren schiitischen Elementen gekennzeichnet, in denen Imam Ali und den zwölf Imamen eine überragende Heiligkeit zugesprochen wurde. Nesîmî beschritt einen Ordenspfad, in der Buchstabensymbolik eine außerordentlich große Rolle spielte. Demnach besteht bzw. gründet alles Sein auf göttliche Buchstaben, die sich in vollkommenster Weise im Menschen manifestieren. Seyyid Nesimis Vater Ataullâh unterrichtete im Sultaniye von Herat und in der Ihlasiye-Loge. Nach dessen Tod übernahm und Nesîmî seinen Platz ein. Weiterhin hatte Nesîmî einen Bruder namens Şâh Handân, umgangssprachlich als Şahanda bekannt. Dieser warnte Nesîmî davor, „das Geheimnis preiszugeben“, das später Nesimi zum Verhängnis wurde und zu seiner Verurteilung führte. In den Werken des Nesîmî tritt die Liebe zur Prophetenfamilie der Ehl-i Beyt in den Vordergrund. Die Tatsache, dass Nesîmî in seinen Werken die Einheit allen Seins mit dem Göttlichen genannt “Vadet-i Vücut” ausdruckte und die Botschaft der Gedichte von immer mehr Menschen aus dem Volk angenommen wurden, störte die orthodoxen islamischen Gelehrten, die den damaligen Herrschern nahestanden.  Aus diesem Grund wurde er von islamischen Pharisäern aufgrund einer Fetwa zur Exekution verurteilt. So wurde er 1418 in Aleppo (heutiges Syrien) bei lebendigem Leibe gehäutet und bestialisch exekutiert. Es ist bekannt, dass Nesîmî einen arabischen, persischen und türkischen Diwan geschrieben hat. Darüber hinaus gibt es eine Prosaarbeit, die Nesîmî zugeschrieben wird und Mukaddimetü’l-Hakâyık heißt.

Sein richtiger Name ist Mehmed bin Süleyman. Obwohl das genaue Geburtsjahr nicht bekannt ist, geben einige Quellen an, dass er um 1480 in Karbala geboren wurde. In seinen Gedichten verwendete er das Pseudonym Fuzûlî. Fuzûlî ist ein Mitglied des Bayat-Stammes, eines alten Oghuz-Stammes. Den Großteil seines Lebens soll er im heutigen Irak verbracht haben, wo er bei den Mausoleen von Imam Ali (in Necef) und von Imam Hüseyin (in Kerbela) seinen Dienst abgeleistet haben soll. Fuzulî hinterlässt der Nachwelt u.a. das Hadîqatu’s-Su‘adâ (zu Türkisch: „Saadetlere Ermişlerin Bahçesi“, zu Deutsch: „Der Garten der Erkenntnisträger“). Da es vor allem das Martyrium des Prophetenenkel Imam Hüseyin bei Kerbela beinhaltet, wird es jährlich zum Monat Muharrem seitens der Aleviten und Bektaschiten bei Zusammenkünften vorgetragen. Fuzulî erkrankte 1556 an der Pestkrankheit, die Bagdad und seine Umgebung heimgesucht hatte, und starb in Karbala an den Folgen dieser Krankheit. Er wurde im Abdülmümin Dede Grab gegenüber von Imam Hüseyins Grab beigesetzt. Er verbrachte 25 Jahre seines Lebens in der Akkoyunlu-Zeit, 26 Jahre in der Safawiden-Zeit und 22 Jahre im Osmanischen Reich und starb, als Bagdad zu den osmanischen Ländern gehörte.

Er hat folgende Werke auf Türkisch geschrieben: Diwan, Leyla u Mecnun, Beng u Bade, Tercüme-i Hadis-i Erbain, Hadîqatu’s-Su‘adâ. Auf  Persisch sind die Werke :  Diwan, Hüsn u Aşk, Enisü‘ l herz, Rind u Zahid, Risale-i Muamma bekannt. Seine arabischen Werke sind ein Diwan und Matlaü’l Itikat.

Şah İsmail Hatayî (1487 – 1524 ), gründete das Reich der Safawiden, welches die Region des heutigen Iran bis in die Ost-Türkei abdeckte. Die Namensbezeichnung Safawi stammt von dem Name „Safi“ ab. Der Stammbaum von Şah Hatayî geht auf Şeyh Safiyyeddîn Ishak Erdebilî zurück, der Anfang des 14. Jahrhunderts den Sufiorden der Safawiyya gründete. Ihm wird auch ein Sendschreiben namens „Şeyh Safi Buyruğu“ zugeschrieben, welches unter Aleviten eine hohe Bedeutung genießt. Der Begriff „Kızılbaş“ (zu Deutsch: „Rotschopf“) wird u.a. auf das Elitemilitär der Safawiden zurückgeführt: Die safawidischen Soldaten trugen charakteristische rote Kopfbedeckungen. Obwohl Şah Hatayî als Şâh Ismail ein König war, hatte er auch die Persönlichkeit eines Derwischs. Unter dem Synonym Hatayi (zu Deutsch: „Der Fehlerhafte“) verfasste er so genannte „Nefesler“ (zu Deutsch: „Atemzüge“), die für Außenstehende schlichtweg als Gedichte gedeutet werden. Er sang didaktische Gedichte unter seinem Pseudonym und wurde von seinen Zeitgenossen „sâhib-i seyfü’l Kalem“ (Besitzer des Schwertes und Stiftes)  genannt, da er  nicht nur ein guter Staatsmann und Soldat, sondern auch ein guter Dichter war. In diesen Gedichten wird klar, dass Şah Hatayî ein Befolger des alevitischen Pfades war und dass trotz seines königlichen Wesens, weltliche Güter niemals Einlass in sein Herz fanden. Er verstarb 1524 in der Stadt Erdebil (heutiges Nord-Iran), in der sein Mausoleum errichtet wurde. Er hat Werke wie Nasihatname, Dehname (Aşuk und Ma’suk) und einen Diwan hinterlassen.

Pir Sultan Abdal (1480 – 1550) ist wohl der Bekannteste in der Reihe der alevitischen Dichtertradition. Aus einigen seiner Gedichte (Nefesler) geht hervor, dass sein eigentlicher Name Koca Haydar sei und seine Vorfahren ursprünglich aus Jemen stammten. Der Begriff „Pîr“ ist persisch und bedeutet eigentlich „alter weiser Mann“, was an die Begrifflichkeiten „Şeyh“ (arabisch) oder „Dede“ (türkisch) erinnert, welche ebenfalls dieselbe wortwörtliche Bedeutung haben, jedoch im übertragenen Sinne das Amt einer geistigen Position ausdrücken. „Sultan“ steht für das Herr-Sein über die eigene niedere Triebseele („nefs“), während „Abdal“ (zu Deutsch: „Ersatzleistung“ bzw. „Derjenige, der das Weltliche durch das Geistige ersetzt hat“) der Name einer Derwischbewegung in Anatolien ist. Den Überlieferungen zufolge wurde ein verwitweter einfacher Mann namens Hızır ein Talip (zu Deutsch: „Schüler auf dem alevitischen Ordenspfad“) des Koca Haydar und erfüllte seinen Dienst an dem Dergâh (zu Deutsch: „Konvent“, „Kloster“) im Dorfe Banaz (Banaz liegt im heutigen Türkei in der Stadt Sivas). Eines Tages fragte Hızır seinen Meister in İstanbul an einer hohen Ausbildung teilzunehmen, um später mit der Kraft seines Amtes seinem Volk besser dienen zu können. Pîr Sultan gab ihm die Erlaubnis, prophezeite Hızır jedoch, dass dieser später seinen Meister exekutieren lassen werde. Tatsächlich unterzeichnete Hızır als eingesetzter Pascha hohen Ranges einen Erlass, Pîr Sultan wegen dessen angeblicher geheimer Verbindungen zum Safawiden-Reich zu erhängen. Pîr Sultan Abdal hat sich ohne jegliche Kompromisse für den alevitischen Weg eingesetzt und der osmanischen Repressionen und Verfolgungen der Aleviten nicht gebeugt. Heute ist er einer der großen Dichter nicht nur der alevitischen Literatur, sondern auch der türkischen Volksdichtung.

Kul Himmet lebte im 16. Jahrhundert und stammte aus dem Landkreis Almus in der Provinz Tokat. Laut den Gedichten (Nefesler), die ihm zugeschrieben werden, ist er ein Derwisch des Pîr Sultan Abdal gewesen. Die Natur seiner Dichterkunst erinnert stark an Pîr Sultan Abdal. Nachdem Kul Himmets Meister gehängt wurde, hielt dieser sich mehrere Jahre verdeckt. Aufgrund seines Glaubens war sein Leben geprägt  von Verfolgung und Leid.  Er wurde oftmals in den Kerker geworfen. Wir haben keine genauen Informationen über die Todesursache von Kul Himmet. Seine Gedichte wurden auf Türkisch, der Sprache des einfachen Volkes weitergegeben und wurden von einem großen Publikum bewundert. Er erlangte in den alevitischen Kreisen zu Lebzeiten großen Ruhm. In der späteren Zeit erschien ein weiterer Dichter, der sich „Kul Himmet Üstadım“ nannte. Dieser Dichter heißt jedoch in Wirklichkeit Sivas`lı İbrahim und darf mit dem eigentlichen Kul Himmet nicht verwechselt werden. Sivas´lı İbrahim hat aus Bewunderung gegenüber Kul Himmet dessen Synonym übernommen und es um „Üstadım“ (zu Deutsch: „mein Meister“) erweitert. Man kann daraus ableiten, dass es sowohl direkte als auch indirekte Schüler der alevitisch-mystischen Dichter gab, die sich als das Erbe ihrer Meister und des alevitischen Weges ansahen.

Viranî (16. Jahrhundert) war ein Vorsteher eines Bektaschi-Konvents in Necef (Irak) beim Mausoleum Imam Alis. Man sagt ihm eine Verbindung zum persischen Şah Abbas I. (1587 – 1628) nach. Viranî (zu Deutsch: „Der Zerrüttete“) spricht in seinen Versen klar über die göttlichen Attribute, die sich in Imam Ali manifestieren. Dieser Dichter, der klare Bezüge zur Hurufiyye hat, hinterlässt einen Divan und eine Risale (zu Deutsch: „Sendschreiben“).

Es gibt nicht viele Informationen über sein Leben, aber es ist bekannt, dass er im 16. Jahrhundert an der Donau lebte. Er ist einer der Kalifen (Stellvertreter) von Akyazılı Sultan, der einer der Derwische von Hacı Bektaş Veli war. In seiner Arbeit mit dem Titel Yemînî Faziletname gibt er kurze Informationen über sich. Nach diesen Informationen ist er in  Eğriboz als Sohn von Hafız geboren. Sein richtiger Name war Mehmed und in seinen Gedichten verwendete er das Pseudonym Yemînî.